Die Fliegeruhr spielte zu Beginn der Fliegerei keine große Rolle. Otto Lilienthal begann 1891 mit den ersten Flugversuchen, nachdem er sich intensiv mit dem Auftriebsverhalten unterschiedlicher Flügelprofile auseinandergesetzt hatte. Einer speziellen Zeitmessung bedurfte es dabei nicht, zunächst war die zurückgelegte Flugstrecke das Maß aller Dinge. Lilienthal konnte seine Reichweite von 25 auf 250 Meter steigern, bevor er tragisch verstarb.
Auch die Gebrüder Wright, denen 1903 der erste kontrollierte Motorflug gelang, legten dabei lediglich 37 Meter zurück.
Die erste Fliegeruhr
1906 gelang dem Brasilianer Alberto Santos-Dumont in Frankreich der erste beglaubigte Motorflug über 25 Meter. Einige Tage später steigerte er die Distanz auf 220 Meter und erlangte damit das Preisgeld von 1.500 Franc für den ersten Motorflug über 100 Meter. Der in Paris lebende Privater entwickelte in der Folge mit seiner »Demoiselle« das erste Sportflugzeug der Welt, mit dem er ständig neue Rekorde brach.
Diesem ersten erfolgreichen Moptorflieger der Welt verdanken wir auch die erste Fliegheruhr. Schon bei seinen früheren Abenteuern – so umrundete er als erster mit einem Luftschiff den Eifelturm – stellte er fest, dass beim Steuern eines Fluggerätes das Ablesen der Zeit von einer Taschenuhr unzweckmäßig war.
Der Jungfernflug der Santos de Cartier
So begann er mit seinem Freund Louis-François Cartier 1904 eine speziell für Luftfahrtzwecke geeignete Armbanduhr zu konstruieren.
1906 fertiggestellt, hatte die Santos de Cartier im Herbst des Jahres 1907 ihren Jungfernflug.
Und zwar bei Santos-Dumonts 220-Meter-Flug mit seinem neuen Motorfluggerät »14-bis«.
Die Fliegeruhr verhilft der Armbanduhr zum Durchbruch
Der erste Weltkrieg verhalf der Fliegerei zu einem technologischen Schub. Eine Flugzeugindustrie entstand, die Jagdflugzeuge und Bomber fertigte. Bei Junkers entstand das erste Ganzmetallflugzeug. Auch die Armbanduhr, die zunächst den Damen vorbehalten geblieben war, setzte sich in der Folge des ersten Weltkrieges gegenüber der Taschenuhr durch. Die Fliegeruhr trug nicht wenig zu ihrer Akzeptanz bei.
Flugpionierinnen
Die Fliegerei war auch ein Feld der Emanzipation. Die Deutsche Elly Beinhorn umrundete als erste Frau im Alleinflug die Erde.
Die Reise dauerte ein gutes halbes Jahr. Die Amerikanerin Amelia Earhart überquerte fünf Jahre nach Charles Lindbergh mit einer Longines am Arm den Atlantik im Alleinflug. Im Zweiten Weltkrieg waren den Frauen Kampfeinsätze verboten. Viele Pilotinnen wie etwa Beate Uhse leisteten aber Versorgungs- oder Überführungsflüge.
Die klassische Fliegeruhr entsteht
Wieder erwies sich der Krieg als technischer Innovationstreiber. Die gesamte deutsche Wirtschaft wurde auf ein Rüstungsprogramm umgestellt. Das Luftfahrtministerium forderte spezielle Luftwaffenuhren an.
Diese mussten sich durch leichte Ablesbarkeit, die Ganggenauigkeit eines Chronometers, einen Sekundenstopp zum exakten Einstellen und hohe Widerstandsfähigkeit gegen Erschütterungen sowie Zuverlässigkeit auch bei niederen Temperaturen bis zu minus 20 Grad auszeichnen. Die solchermaßen definierten Armbanduhren mit ihrem instrumentenartigen Aussehen, auch als Beobachtungsuhren (B-Uhren) bezeichnet, geben bis heute weltweit das Vorbild für eine Fliegeruhr ab. Die verwendeten, überlangen Armbänder führen in der Literatur gelegentlich zur Vermutung, die Uhren seine am Oberschenkel getragen wurde. Dafür lässt sich kein historischer Beleg erbringen. Vielmehr gibt die verlangte Widerstandsfähigkeit gegen niedere Temperaturen den richtigen Hinweis. In den ungeheizten Kanzeln schützten die Piloten und Navigatoren nur die dick gefütterten Overalls, über deren Ärmel sie die Uhren schnallen mussten.
Designmerkmale einer Fliegeruhr
- Für eine gute Ablesbarkeit besitzen Fliegeruhren ein mattschwarzes Zifferblatt mit weißen Leuchtzahlen und -zeigern.
- Die Uhrengehäuse haben aus dem gleichen Grund eine Übergröße und patinierte Oberflächen, um Reflexionen zu vermeiden
- Der Nullindex bei zwölf Uhr besteht aus einem mit Leuchtfarbe versehenen Dreieck. Es wird von zwei Punkten begleitet. Seine Herkunft ist unbekannt.
- Eine große, griffige Krone ermöglicht das Aufziehen und Stellen der Uhr auch mit Handschuhen
- Überlange Armbänder erleichtern das Anlegen der Uhren über einer Fliegerkombi.
- Oft sind die Armbänder mit doppelten Metallnieten versehen, um eine besonders sicheren Halt zu gewährleisten
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