Heute wäre Walter Lange 100 Jahre alt geworden. Mit der Neugründung der Lange Uhren GmbH und der Marke A. Lange & Söhne am 7. Dezember 1990 gelang es ihm nicht nur, die weitreichende uhrmacherische Tradition seiner Familie nach über 40 Jahren Zwangspause neu zu beleben, sondern den Weg für die Renaissance der 1845 von seinem Urgroßvater begründeten sächsischen Feinuhrmacherei zu ebnen.
Walter Lange hat nicht einen Augenblick gezögert, als sich ihm 1990 die Gelegenheit bot, das durch Kalten Krieg und Deutsche Teilung unterbrochene Werk seiner Vorfahren wieder aufzunehmen. Da war er 66.
Als gelernter Uhrmacher hatte er nach dem Krieg noch selbst den Wiederaufbau des familiären Betriebs unter schwierigsten Bedingungen mitgestaltet, bis die Enteignung den Hoffnungen ein Ende setzte. Eine Erfahrung, die ihn geprägt aber nicht verbittert hatte. So reiste er ab Mitte der 1970er Jahre regelmäßig zu Besuchen ins Erzgebirge, um den Kontakt zu den Menschen seiner Heimat nicht abreißen zu lassen.
Für seine herausragenden Verdienste um die Glashütter Uhrenindustrie wurde Walter Lange, der A. Lange & Söhne bis zu seinem Tod am 17. Januar 2017 als Repräsentant und Botschafter eng verbunden war, vielfach geehrt. Für seine Pionier- und Aufbauleistung wurde Walter Lange 1998 mit dem Verdienstorden des Freistaats Sachsen und 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Behütete Kindheit und grausame Kriegszeiten
1924 in Dresden geboren, verbrachte Walter Lange als viertes Kind von Rudolf und Hildegart Lange eine behütete Kindheit in Glashütte, die dennoch von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise geprägt war. Der Anblick der Arbeitslosen vor dem Lange-Stammhaus brannte sich tief in ihm ein – später wurde er zum Antrieb seines Handelns. Dass Walter Lange Uhrmacher werden würde, stand für ihn außer Frage. Oft begleitete er seinen Vater Rudolf in die Fabrik, um die fertigen Chronometer zu prüfen. Nach der Volksschule in Glashütte und der Mittleren Reife, die er in Dresden ablegte, begann er im Frühjahr 1941 eine Uhrmacherlehre im niederösterreichischen Karlstein, an der Schule der Uhrenindustrie.
Nur ein Jahr später, im Sommer 1942, folgte eine jähe Unterbrechung: Mit 18 Jahren wurde Walter Lange zum Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg einberufen. Er überlebte – wie er stets betonte – nur mit großem Glück. Am 7. Mai 1945 kehrte er schwer verwundet nach Hause zurück. Doch sein Glück war nicht von Dauer: Glashütte wurde am letzten Kriegstag, am 8. Mai 1945, bombardiert. Die »Werft«, wie man das Hauptproduktionsgebäude von A. Lange & Söhne auch bezeichnete, wurde schwer beschädigt. Was übrig blieb, beschlagnahmten die sowjetischen Besatzer. Darunter Uhren, Bauteile und Maschinen sowie auch geistiges Eigentum, wie beispielsweise eine detaillierte Dokumentation der Fertigung des Lange-Marinechronometers, die Walter Lange selbst anfertigen musste.
Neue Hoffnung nach dem Krieg – die erste Armbanduhr
Die Menschen in Glashütte machten sich umgehend an den Wiederaufbau. »Wir hatten keine andere Wahl«, erzählt Walter Lange in seinen Erinnerungen »Als die Zeit nach Hause kam«, die nun anlässlich seines 100. Geburtstags aktualisiert und erweitert erscheinen. »Die Uhrenproduktion war unsere persönliche Existenz und die unserer Stadt.« Nach intensiven Diskussionen innerhalb der Familie begann 1947 der Verkauf des »Kalibers 28«, ein Armbanduhren-Werk, das auf Basis des bis dahin produzierten Taschenuhrkalibers 48 konstruiert wurde.
Aber schon 1948 machte die Enteignung und die Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb (VEB) auf Anordnung des SED-Regimes die Zukunftspläne der Familie Lange zunichte. Nach der Zwangsverpflichtung in den Uranbergbau flüchtete Walter Lange im November 1948 nach Pforzheim, wo seine Versuche, eine neue Uhrenfertigung zu gründen, wenig erfolgreich waren. Bis zu seiner Pensionierung 1986 blieb Walter Lange der Uhren- und Schmuckindustrie als Handelsvertreter treu. Immer hoffte er, dass er Lange in Glashütte wiederbeleben könnte – daran geglaubt hat er nicht.
Neugründung nach der Wiedervereinigung
Als sich durch die deutsche Wiedervereinigung die historische Chance bot, zögerte Walter Lange nicht. »Der 7. Dezember 1990 gehörte zu den bedeutendsten Tagen meines Lebens«, erzählte er in einem Interview zu seinem 90. Geburtstag. Im Alter von 66 Jahren meldete er die Lange Uhren GmbH an, »mit der geborgten Postadresse einer früheren Klassenkameradin«. Trotz des Risikos habe es die Familientradition geboten, nach Glashütte zurückzukehren, »um den Menschen hier in einer schwierigen Zeit Arbeit und Perspektive zu geben.«
Der wichtigste Sparringspartner von Walter Lange war der Unternehmer Günter Blümlein (1943 – 2001), ein charismatischer Stratege, der gleichfalls fest daran glaubte, dass ein Comeback der traditionsreichen Marke möglich sei.
Mit einem kleinen, engagierten Team an Konstrukteuren, Uhrmachern und administrativen Mitarbeitern sowie mit finanzieller Hilfe von VDO und LMH (Les Manufactures Horlogères, zu der damals auch Jaeger-LeCoultre und IWC Schaffhausen gehörten) gelang die überzeugende Antwort auf die Frage, wie eine Lange-Uhr am Ende des 20. Jahrhunderts auszusehen hat. »Uns war von Anfang an wichtig, Uhren zu entwickeln, die in ihrer schlichten, klassischen Erscheinung von höchster Modernität sind,« so Walter Lange. Die Erstkollektion mit Lange 1, Arkade, Saxonia und Tourbillon »Pour le Mérite« wurde am 24. Oktober 1994 im Residenzschloss Dresden vorgestellt: Die bis dahin fertiggestellten 123 Exemplare wurden allesamt verkauft.
Für Anliegen des uhrmacherischen Nachwuchses hatte Walter Lange immer ein offenes Ohr und mit seinem Engagement ist er der jungen Generation noch heute ein Vorbild. Mit der Benennung der hauseigenen Schule in »Walter Lange Aus- und Weiterbildungszentrum« würdigte die Manufaktur im Herbst 2022 den Namensgeber.
Aus Anlass des 100. Geburtstages wurde die 2004 erschienene Biografie in einer Neuauflage veröffentlicht und um ein Vorwort von Lange-CEO Wilhelm Schmid und ein viertes umfangreiches Kapitel erweitert, in dem der Autor Gisbert L. Brunner das Leben von Walter Lange ab 2004 nachzeichnet. Walter Lange verstarb am 17. Januar 2017 im Alter von 92 Jahren.
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