Das Tourbillon wurde im Jahr 1795 von Abraham-Louis Breguet (1747 – 1823) erfunden. Tourbillon bedeutet soviel wie »Wirbelwind«. Breguet wollte damit die Lageveränderung und die damit einhergehende Gangungenauigkeit von Taschenuhren ausgleichen.
Da Taschenuhren sich meistens in einer senkrechten Position befinden, wirkt sich die Erdanziehungskraft auf die Unruh aus und zieht diese nach unten. So entsteht ein sogenannter Lagenfehler.
Tourbillon: Die Funktionsweise
Der brillante Uhrmacher versetzte die gesamte Hemmung – die Bauteile, die am empfindlichsten auf die Schwerkraft reagieren – bestehend aus Unruh und Feder, Anker und Ankerrad ins Innere eines mobilen Käfigs, der sich einmal pro Minute um die eigene Achse dreht. Durch das kontinuierliche Wiederholen der Störungen werden diese aufgehoben.
Des Weiteren sorgt der fortwährende Wechsel des Kontaktpunktes der Unruhzapfen in ihren Lagern für eine optimierte Schmierung.Da die Herstellung von Tourbillons sehr schwierig ist, sind sie teuer und wurden wegen der Komplexität in den nächsten 200 Jahren nur selten gebaut. In dieser Zeit sind nur etwa 700 Tourbillons entstanden.
Die Bauweise
Bei einem Tourbillon werden das Ankerrad, die sogenannte Unruh und der Anker auf einer kleinen Platte in einem Drehgestell befestigt. Das Drehgestell ist ein Käfig, der auf der Welle des Sekundenrades sitzt.
An dieses Drehgestell wird von unten der Sekundentrieb befestigt. Die Unruh schwingt genau über der Welle des Sekundenrades auf dem Drehgestell. Das Drehgestell selbst dreht sich um das Sekundenrad. Der Trieb des Ankerrades läuft auf dem Sekundenrad ab. Wenn sich das Sekundenrad jetzt dreht, dreht sich die Platine des Tourbillons mit. Lagen- und Schwerpunktfehler werden somit einmal in der Minute – so oft dreht sich das Tourbillon – ausgeglichen und treten nicht mehr unkontrolliert auf. Da Energie in einem Uhrwerk ein rares Gut ist, muss die Konstruktion des Tourbillons möglich leicht sein. So beträgt das Gewicht eines Tourbillonkäfigs nur den Bruchteil eines Gramms. Das Kaliber 581 von Breguet zeichnet sich beispielsweise durch ein äußerst geringes Gewicht aus, der gesamte Käfig wiegt nur 0,290 Gramm.
Weiterentwicklungen
Das Fliegende Tourbillon wurde 1920 von Alfred Helwig entwickelt. Im Gegensatz zum klassischen, beidseitig gelagerten Tourbillon kommt Helwigs elegante Konstruktion mit nur einem Lager auf der Unterseite aus, so dass es in seinem sogenannten Käfig zu fliegen scheint.
Aufgrund seiner Komplexität und aufwändigen Fertigung ist das Tourbillon hochpreisigen Luxusuhrenmarken vorbehalten, wie etwa den mysteriösen Tourbillons von Cartier.
Mehrachsige Tourbillons
Der deutsche Uhrmacher Thomas Prescher entwickelte im Jahr 2003 das »Doppel-Achs-Tourbillon« zunächst in einer Taschenuhr und 2004 in einer Armbanduhr. Die erste Achse und die zweite Achse drehen sich jeweils einmal je Minute um sich selbst. Das ganze Tourbillon ist mit einem Konstante-Kraft-Mechanismus im Tourbillon-Käfig ausgestattet. Diese führt der Unruhe gleichmäßig Energie zu. Das gab für einige Marken den Startschuss, mit Doppeltourbillons in neue Preisbereiche vorzudringen. Geradezu zum Synonym der Marke wurde das Doppeltourbillon bei der Genfer Marke Roger Dubuis.
Aber auch von Breguet und anderen Marken der Haute Horlogerie werden Doppeltourbillons angeboten. Zum Beispiel von Breguet, bei dessen Doppeltourbillon beide Tourbillons über eine Brücke verbunden sind und einmal in zwölf Stunden umeinander kreisen.
Das Gyrotourbillon wurde 2004 von Eric Coudray für Jaeger-LeCoultre entwickelt. Eine komplexe Mechanik dreht die Unruh laufend um drei Achsen, analog einem gyroskopischen System. Der Unruhkäfig dreht sich dabei um zwei Achsen. Diese beiden Achsen des Gyrotourbillons sorgen dafür, dass die Unruh nie in einer horizontalen Position verharrt. Der äußere Drehkäfig dreht sich einmal in der Minuten, der senkrecht montierte Innenkäfig vollzieht alle 24 Sekunden eine Umdrehung.
Beim Gyrotourbillon 2 erhöhte Jaeger-LeCoultre die Geschwindigkeit des Uhrwerks auf vier Hertz, das entspricht 28.800 Halbschwingungen in der Stunde, und die Geschwindigkeit des Innenkäfigs auf eine Umdrehung pro 18,75 Sekunden. Außerdem verwendet das Gyrotourbillon 2 eine zylindrischen Unruhspirale. Die Master Grande Tradition Gyrotourbillon Westminster Perpétuel von Jaeger-LeCoultre besitzt ein verkleinertes Gyrotourbillon und verfügt neben einem Ewigen Kalender über einen Westminsterschlag wie der Londoner Big Ben.
Die erste Erfindung von Greubel & Forsey, 2004 präsentiert, ist ein innovativer Doppel-Tourbillon-Mechanismus »DT30« mit einem Tourbillon, das um 30 Grad geneigt ist und sich in 60 Sekunden dreht, innerhalb eines anderen, der sich alle vier Minuten dreht.
Daraus entwickelten die beiden Uhrmacher, ergänzt um eine dreidimensionale Weltkugel mit Zeitzonenanzeige, das Quadrupel Tourbillon. Es verbindet zwei Doppeltolurbillons über ein speziell entwickelte Differenzial miteinander.
Das Caroussel
Der dänische Uhrmacher Bahne Bonniksen (1859 – 1935) hatte angesichts der komplexen Konstruktion eines Tourbillons 1892 nach einer neuen Lösung gesucht. Während der Wirbelwind über ein einziges Treibrad hinter dem Käfig verfügt, das alle Komponenten des Käfigs inklusive der Hemmung antreibt, setzt das Caroussel auf zwei separate Antriebsstränge. Ein Zahnrad sorgt dabei für die Drehbewegung des Gestells, ein zweites treibt die Hemmung unabhängig davon an. Seine Konstruktion war genauer als ein Tourbillon, allerdings besaß es noch mehr Teile als dieses und war schwerer zu regulieren. Daher geriet die Konstruktion in Vergessenheit. Im Jahr 2013 stellte Blancpain mit dem Kaliber 2322 ein Modell vor, das über ein Tourbillon und ein Caroussel verfügt.
Der komplexe Mechanismus, den die meisten Uhrenmarken stolz auf dem Zifferblatt zur Schau stellen, ist konstruktiv, fertigungstechnisch und bei der Montage und Reglage eine bleibende Herausforderung – aber auch eine Verlockung für die Haute Horlogerie, die Uhrenliebhaber immer wieder mit neuen technischen Innovationen zu begeistern.
Hinterlasse einen Kommentar