In seiner im teNeues-Verlag fest etablierten Buch-Reihe »The Watch Book« widmet sich der Münchener Autor und Uhrensammler Gisbert L. Brunner der Schwarzwälder Marke Hanhart, nicht ohne deren Entwicklung in die Geschichte der deutschen Uhrenindustrie einzubetten.
In dieser spielte die Armbanduhr zunächst eine eher untergeordnete Rolle. Vielmehr dominierten Großuhren und Wecker die Produkti0on und übertrafen sogar die von Taschenuhren. Die Armbanduhr erfuhr in Deutschland zunächst heftige Abneigung und wurde als modische Torheit bestenfalls Frauen als schmückendes Utensil zugestanden.
Gisbert L. Brunner schildert mit zahlreichen Fakten die dennoch Mitte der 1920er Jahre beginnende Massenproduktion von Armbanduhren, sowohl in Glashütte und Ruhla als auch im Schwarzwald und Pforzheim. Während des Zweiten Weltkrieges erfolgte deren Nutzung überwiegen zu militärischen Zecken. Bereits im Jahr 1938 hatte Hanhart in Gütenbach das Handaufzugkaliber 40 mit Ein-Drücker-Steuerung zur Serienreife entwickelt.
Der Neubeginn nach 1945 gestaltete sich schwierig, gegenüber der Schweiz war man technologisch im Hintertreffen. Ging es daher zunächst um die Fertigung preiswerter Uhren, erreichte die westdeutsche Produktion im Jahr 1961 7,5 Millionen Armbanduhren mit einem Exportanteil von 37 Prozent, der einem höheren Qualitätsanspruch folgte.
Entsprechend wurden auch Chronographen und Armbandwecker entwickelt. Wie in der Schweiz führte die 1969 einsetzende Quarzrevolution auch in Deutschland zum Tod vieler Uhrenfabrikanten. Als Mitte der 1980er Jahre die Renaissance der mechanischen Armbanduhr einsetzte, schildert Brunner, war von der deutschen Uhrenindustrie schon nicht mehr viel übrig. Hanhart hatte nur durch die Spezialisierung auf Stoppuhren überlebt.
Die Geschichte der Marke begann am 1. Juli 1884 im schweizerischen Diessenhofen mit der Gründung durch Johann Adolf Hanhart. 1902 erfolgte der Umzug ins schwäbische Schwenningen, wo sich bereits andere Uhrenmarken angesiedelt hatten. Der Nachfolger und Sportler Wilhelm Julius Hanhart etablierte in der Zeit der Hyperinflation die Produktion von Kurzzeitmessern. Deren Erfolg bewirkte die Expansion der Produktion nach Gütenbach.
Von da aus breitet Gisbert L. Brunner die weitere Erfolgsgeschichte der Firma aus. Der Entwicklung des eigenen Chronographen-Kalibers widmet das Watch Book ein eigenes Kapitel. Auch die Nachkriegszeit bewies die Innovationskraft von Hanhart. Bereits 1951 stellte die Firme einen Armbandwecker auf der Baseler Uhrenmesse vor. Der gescheiterte Ausflug in die digitale Hauskommunikation führt 1993 zum Neustart des Unternehmens.
Die Geschichte mit wechselnden Eigentümern erschließt ein offenes Interview mit den Geschäftsführern Felix Wallner und Simon Hall, die tiefe Einblicke in die Entwicklung von Hanhart geben. Vor allem die Einführung des Chronographen 417 ES erwies sich als erfolgreiche Entscheidung. Über diese zeigt sich im Interview Markus Wenner, vom Inhaber der Firma GCI Managing Partner erfreut.
Ausführlich und mit überraschenden Details wird im Anschluss die naturgemäß bedeutsame Entwicklung der Armbandchronographen aufgefächert, zu deren Fans sich übrigens auch Steve McQueen zählte. Detailliert und bildgewaltig wird die aktuelle Kollekti0n aufgeschlüsselt und das jüngst vorgestellte Sondermodell »Fly Navy Aerosphere« unterstreicht die Aktualität des Buches.
Gisbert L. Brunner, The Watch Book: Hanhart und die deutsche Uhrenindustrie, teNeues Verlag 2024, Hardcover, deutsch und englisch, 224 Seiten, etwa 250 Farb- und Schwarzweiß-Fotografien, ISBN 978-3-96171-625-8, 80 Euro
Mit dieser Ausgabe des Watch Books rückt Gisbert L. Brunner eine Uhrenmarke in den Focus, die sonst nicht im Rampenlicht der uhreninteressierten Gemeinde steht. Diese Lücke zu schließen gelingt ihm faktenreich wie gewohnt, auch wenn eingestandenermaßen die frühen Entwicklungen teilweise nur dürftig dokumentiert sind. Spannend und mit Überraschungen garniert ist die ausführliche Geschichte der Entwicklung der Armbandchronographen zu lesen.
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