Mit dem Band über Oris folgt nach dem Rolex-Buch eine weiteres Werk in der The Watchbook-Reihe im teNeues Verlag. Sein Autor Gisbert L. Brunner geht über eine reine Firmengeschichte hinaus. Er schildert zunächst das geschichtliche Umfeld der Entwicklung von Oris.
Die Weltfinanzkrise der 1920-er Jahre führte zu einer massiven Restrukturierung der Uhrenindustrie unter Führung der Schweizer Regierung. Das sogenannte Uhrenstatut fusionierte 1931 zuvor konkurrierende Unternehmen unter dem Dach der ASUAG (Allgemeine Schweizer Uhren AG). Ausgenommen waren nur Hersteller einfacher Uhren mir Rosskopf-Hemmung, darunter Oris. Diese Hemmung verzichtet auf den Einsatz von mit Schelllack fixierten Ankerplatten aus Rubinen und ersetzt diese durch stählerne Stifte.
Bis 1933 waren rund 400 Uhrenfabriken dem Kartell beigetreten. Die Maßnahmen zeigten Wirkung und die Schweizer Uhrenindustrie verzeichnete wieder Gewinne. Doch Oris hatte weiter unter den restriktiven Regularien des Uhrenstatuts zu leiden, die es der Firma 40 Jahre lang verwehrten, Schweizer Ankerhemmungen zu produzieren. Hier kommt im Jahr 1956 Dr. Rolf Portmann ins Spiel. Der erfahrene Jurist übernahm für Oris die Aufgabe, gegen das Statut vorzugehen, und er war damit erfolgreich. Im Jahr 1961 konnte Oris sein eigenes Kaliber mit Ankerpaletten vorstellen und 1966 wurde das Statut aufgehoben.
Die Rettung von Oris durch unternehmerischen Mut
Das folgende Kapitel beleuchtet die weniger bekannte Entwicklung der Uhrenindustrie in der Region um Basel. In Hölstein gründeten Paul Cattin und Georges Christian 1904 die Uhrenfabrik Oris, benannt nach dem örtlichen Fluss. Schnell wuchs das Unternehmen von 24 auf über 300 Mitarbeiter.
Nach Ende des Uhren-Statutes fertigte Oris eigene Automatik-Werke mit Schweizer Ankerhemmung. Die Mitarbeiterzahl stieg auf fast 1.000 Angestellte. Doch schon Mitte der 1970er Jahre kam es zu einer erneuten, dramatischen Krise durch das Aufkommen der Quarzuhr. Diese Krise führte zum massiven Abbau von Arbeitsplätzen und schließlich unter Führung eines Bankenkonsortiums zur Gründung der heutigen Swatch Group aus der ASUAG heraus.
1984 musste Oris den Betrieb einstellen. Doch Dr. Rolf Portmann und der damalige Markting-Chef Ulrich W. Herzog erwarben die Markenrechte und den Vertrieb. So bewahrte Oris seine Eigenständigkeit außerhalb der ASUAG. Zum 110. Firmenjubiläum 2014 erschien das mechanische Kaliber 11o und Oris begann seine Rückkehr in den erlesenen Kreis der Manufakturen. Unter der Ägide des Co-CEOs Rolf Studer wurde 2020 das das neue automatische Kaliber 400 vorgestellt.
Damit sind die drei handelnden Personen benannt, die im nächsten Kapitel in ausgiebigen Interviews bewegt ihre Geschichten und Erlebnisse schildern. Und auch die technischen Eigenschaften der angesprochenen Kaliber werden im Anschluss anschaulich beschrieben.
Ausführlich und reich bebildert folgen die Meilensteine der uhrmacherischen Entwicklung der Marke, die sich ihre Unabhängigkeit gegenüber großen Konzernen bewahrt hat. Gisbert L. Brunner, The Watch Book Oris – Die Geschichte der Schweizer Uhrenindustrie, deutsch, 200 Farb- und Schwarzweiß-Aufnahmen, Hardcover, 256 Seiten 24,5 mal 31,4 Zentimeter, 80 Euro
Mit dem neuen Band der Uhrenbuchreihe weitet sich das Spektrum. Speziell die Schilderung des wirtschaftlichen Umfelds der frühen Firmen in der Basler und die Folgen der Weltwirtschaftkrise und die Beengungen des Uhrenstatutes dürften auch Eingeweihten neue Erkenntnisse bieten. Im leichten Erzählstil führt der Autor durch die hochinteressante Geschichte des Unternehmens und entfaltet kenntnisreich technische Details der mechanischen Uhrmacherei.
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