Wer das Uhrenzentrum Genf zum Ausgangspunkt nimmt, den führt eine gut einstündige Autofahrt in das Schweizer Jura. Nach Überquerung des Gebirgspasse Col de Marchairuz, 1.447 Meter über dem Meeresspiegel, eröffnet sich der Blick über das Vallée de Joux.
In diesem hochgelegenen und schneereichen Tal befinden sich zahlreiche Manufakturen oder deren feinmechanischen Ableger.
In diesem Tal der uhrmacherischen Komplikationen hat mit Jaeger-LeCoultre ein Unternehmen bis heute seinen Sitz, das alle seine Luxusuhren in den eigenen Werkstätten von Hand kreiert, entwickelt, verziert und produziert.
Der Ausgangspunkt war bescheiden: Im Jahr 1833 verwandelte Antoine LeCoultre (1803–1881) die kleine Scheune seiner Familie in ein Uhrenatelier. Er entwickelte im Jahr 1844 das Millionometer. Dieses Gerät war zu seiner Zeit das präziseste Meßinstrument der Welt, denn kein anderes Meßgerät konnte ein Millionstel eines Meters messen.
Dies führte dazu, dass die Uhrenindustrie zum metrischen System überging. Das Unternehmen wurde zur ersten Manufaktur im Vallée de Joux, die alle Aspekte der Uhrmacherei unter einem Dach beherbergte. Zu dieser Zeit arbeiteten fast alle Uhrmacher von zu Hause aus. Jeder verfügte über seine eigenen Fachkompetenzen und hegte ganz persönliche Geheimnisse.
Im Jahr 1888 war die Manufaktur, mittlerweile unter Leitung von Elie LeCoultre, dem Sohn des Firmengründers dann schon das wichtigste Unternehmen der Region – das lag nicht nur am Einsatz von Maschinen und an der außerordentlichen Produktionskapazität, sondern auch daran, dass das Unternehmen damals bereits 480 Arbeiter, sowohl Männer als auch Frauen, beschäftigte. 1891 dann wurden zwei Komplikationen, die Chronographenfunktion und die Minutenrepetition, in einem Uhrwerk kombiniert. Diese Entwicklung mündete Mitte der 1890er Jahre in die Fertigung großer Komplikationen. Ab 1902 fertigte LeCoultre & Cie über 30 Jahre die meisten Rohwerke an Patek Philippe.
1903 – Aus Jaeger wird Jaeger-LeCoultre
Edmond Jaeger (1858–1922) war bekannter französischer Uhrmacher mit Sitz in Paris, der Chronometer an die französische Marine lieferte.
Als Erfinder stellte er die schweizerischen Hersteller 1903 vor die Aufgabe, nach seinen eigenen Entwürfen ein ultraflaches Uhrwerk zu produzieren. Jacques David LeCoultre, der Enkel des Firmengründers, fuhr 20 Kilometer von der Manufaktur zum nächstgelegenen Telefon, um die Herausforderung anzunehmen. Dieses Telefonat führte zu einer engen Zusammenarbeit der beiden und LeCoultre liefert ab 1907 das Kaliber K145 mit einer Bauhöhe von 1,38 Millimeter für die weltweit flachsten Taschenuhren. Das führt zur Fusion der Firmen und m Jahr 1937 zum neuen Markennamen. Die zunehmende Bedeutung der Armbanduhr führte 1929 zur Entwicklung des Handaufzugkalibers 101.
Mit seinen 98 Komponenten ist es bis heute das kleinste mechanische Uhrwerk der Welt. 1931 entsteht die rechteckige Wendeuhr Reverso. Sie wurde auf Anregung des Uhrenhändlers César De Trey, eines Geschäftspartners von LeCoultre, für Polo spielende britische Offiziere in Indien entwickelt.
Reverso-Modelle gab es anfänglich nicht nur von LeCoultre, sondern auch von anderen namhaften Uhrenherstellern. Nach Einstellung der Produktion in den 1940er-Jahren führte Jaeger-LeCoultre die Reverso ab 1972 exklusiv wieder ein. Die Initiative dazu gab der damalige italienische Importeur Giorgi Corvo.
1978 wurde in der Quarzkrise ein Mehrheitsanteil an die VDO Automotive verkauft, bekannt für ihre Tachometer. VDO fasste sein Uhrenengagement an IWC Schaffhausen, Jaeger-LeCoultre und A. Lange & Söhne in der Firma Les Manufactures Horlogères zusammen. Geschäftsführer war der Nürnberger Günther Blümlein, der von Junghans gekommen war. 1991 übernahm Mannesmann die VDO und verkaufte sie nach der eigenen Übernahme durch Vodafone an die in Genf ansässige Richemont-Gruppe weiter.
2006 brachte Jaeger-LeCoultre unter dem damaligen CEO und heutigen CEO der Richemont-Gruppe, Jerôme Lambert, die Reverso grande complication à triptyque auf den Markt, die erste Uhr mit drei Zifferblättern, deren Anzeigen durch ein einziges Uhrwerk gesteuert werden.
Unter Lambert wurde 2004 mit dem Gyrotourbillon I das erste kardanisch gelagerte Tourbillon vorgestellt.
Seit 1. Mai 2018 ist Catherine Rénier CEO von Jaeger-LeCoultre.
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