Auch im Jahr 2020 bin ich wieder einmal mit Uhren-Magazin zur Leserreise in Glashütte unterwegs. In Glashütte überlebte die mechanische Uhr in der Abgeschiedenheit des Erzgebirges und als bedeutender Devisenbringer sozialistischer Planwirtschaft die Quarzkrise der 1980er Jahre. Nach dem Fall der Mauer fiel der verbliebene Betrieb, die Glashütter Uhrenbetriebe (GUB), der Verwertung durch die Treuhand anheim. Der durchschlagende Erfolg von A. Lange & Söhne ab 1990 führte zur Rückkehr vieler Uhrenfirmen.

Leserreise Glashütte 2020: Tutima

Bis Tutima nach Glashütte zurückkehrte, dauerte es über ein halbes Jahrhundert – um so spektakulärer fiel sie aus. Mit der »Hommage« präsentierte die Manufaktur im historischen Bahnmeisterhaus die erste Armbanduhr mit einer Minutenrepetition aus Glashütte. Die Patria-Kollektion knüpft an diese Manufakturtradition an. Davon überzeugen sich die Leser vom Uhren-Magazin, die ich begleiten durfte, persönlich.

Alexander Philip führt uns in den Keller, in dem eine CNC-Fräse die flachen Werkteile produziert, aber auch für den Prototypenbau zur Verfügung steht. In der Konstruktionsabteilung werden detailliert die Komponenten der Minutenrepetition erläutert Sie verraten der Uhr nicht nur, wie spät es ist, sondern lassen auch die Uhrzeit gut abgestimmt akustisch erklingen. Alle Bauteile werden hochfein veredelt. Auch die Neukonstruktion des Kalibers 59, dem ersten deutschen Chronographen mit Flyback-Funktion namens Tempostopp lässt Kenner mit der Zunge schnalzen. Aber die Marke hat auch robuste und sportliche Modelle im Titangehäuse und Edelstahl im Angebot. Etwa die M2, sie ist der Nachfolger des berühmten Bundeswehrchronographen mit der Anzeige der Stoppminute aus dem Zentrum. Diesen  Zeiger ziert ein kleines Flugzeug.

Wempe Glashütte I/SA

Als Herbert Wempe am 1. Januar 1938 die Hamburger Chronometer-Werke GmbH übernahm, war das die perfekte Lösung eines Problems: die talentiertesten und fähigsten Uhrmacher auszubilden und dabei zugleich neue Geschäftsfelder zu erschließen.

Wempe Sternwarte Glashütte

Die Sternwartee Glashtte ist Produktionsstandort von Wempe Glashütte I/SA und die einzige amtliche Chronometerprüfstelle in Deutschland.

Denn, so seine Kalkulation: Wer sich in der Herstellung von hochpräzisen Schiffschronometern übt, der ist auch perfekt vorbereitet für die Wartung anderer hochwertiger Uhren. Einst begründeten Herbert Wempe und Otto Lange, Enkel des Firmengründers, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Unternehmen. Eine ihrer ersten gemeinsamen Unternehmungen war in den 1930er-Jahren der Aufbau der Arbeitsgemeinschaft »Sternwarte Glashütte«. Hier wollten sie ein Forschungsinstitut errichten.

Der Weltkrieg verhinderte die Ausführung und die Sternwarte verfiel zur Ruine. Bis im Jahr 2005 Kim-Eva Wempe die Sternwarte erwarb und sie wieder, inklusive astronomischer Instrumente unter der Kuppel, aufwändig instand setzen ließ. Heute werden hier die Uhren von Wempe Glashütte I/SA mit den Familien Wempe Iron Walker, Wempe Zeitmeister und Wempe Chronometerwerke gefertigt. Zudem findet hier die Ausbildung der Uhrmacherlehrlinge statt. Gleichzeitig beherbergt die Sternwarte die einzige deutsche Chronometerprüfstelle, welche amtlich Uhren ihre besondere Ganggenauigkeit attestiert.

Leserreise Glashütte 2020: Mühle-Glashütte

Die Seefahrt spielt auch bei Mühle-Glashütte eine gewichtige Rolle. Darauf deutet schon der Namenszusatz nautische Instrumente hin. Das Familienunternehmen hatte sich seit der Gründung der Firma im Jahr 1868 durch Robert Mühle insbesondere um die Präzision der Glashütte Uhrmacherei verdient gemacht.

Nicht durch eigene Uhren, aber durch die Messinstrumente, welche sie für die Uhrenfirmen fertigte. F.A. Lange hatte bereits 1845 auf das metrische System gesetzt, lange bevor es nach der Reichsgründung 1871 verpflichtend wurde. Auch die Tachometer von Horch entstammen der Produktion von Mühle. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Hans-Jürgen Mühle die Firma fort, bis er sich 1972 von einer Nacht auf die andere als sozialistischer Direktor um die Führung der Firma bewerben musst, die ihm noch am Abend zuvor gehört hatte. Mit mechanischen Schifffahrtschronometern erwarb sich die Firma auf dem Weltmarkt einen guten Ruf, von dem sie profitierte, als sich Hans-Jürgen Mühle nach der Wende wieder selbstständig machte. Erst später wurden die heute so erfolgreichen Armbanduhren in das Programm aufgenommen. Heute wird die in Glashütte vorgeschriebene Fertigungstiefe mit einer beachtlichen Ausstattung an CNC-Fräsen erreicht, auf denen auch die Komponenten der patentierten »Spechthals-Feinregulierung« entstehen. Exklusiv mit der Firma Wempe wurde ein limitiertes Sondermodell des SAR Rescue Timers für den Seenotrettungskreuzer Hamburg mit schwarzem Gehäuse lanciert.

Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Vor der astronomischen Görtz-Uhr begrüßt Dr. Ulf Molzahn, der neue Direktor des Deutschen Uhrenmuseums in Glashütte. Das Museum basiert auf einer gemeinsamen Stiftung der Stadt Glashütte und Glashütte Original. Er gewährt uns noch vor der Eröffnung der Ausstellung über »Glashütter Uhren – wie alles begann« einen kleinen Einblick in die Vorbereitungen.

Die Ausstellung ist voraussichtlich bis zum 18. April 2021 geöffnet. Sie beschreibt, wie mit großem handwerklichem Können, viel Enthusiasmus und aus tiefster Überzeugung heraus Ferdinand Adolph Lange, Julius Assmann, Moritz Großmann und Adolf Schneider die Glashütter Uhrenbranche aus der Taufe gehoben haben. Reinhard Reichel, jetzt Museumsdirektor im Ruhestand, führt uns durch die ständige Ausstellung. Hier steht die Blütezeit der Glashütter Präzisionsuhrmacherei im 19. Jahrhundert im Mittelpunkt. Die Weltwirtschaftskrise, der Zweite Weltkrieg und die sozialistische Planwirtschaft stellten unterschiedliche Herausforderungen, welche die Glashütter Uhrmacher alle bewältigten. Aus den Umbrüchen der Wendezeit sind wieder Uhrenfirmen entstanden, die weltweit Anerkennung für ihre Produkte finden. Diese finden sich einträglich in einem abschließenden Ausstellungsraum versammelt.

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