Das erste Chronometerwerke-Modell mit Automatikwerk von Wempe Glashütte will vor allem eines sein: schön. Und das gelingt ihm dank peinlicher Genauigkeit. Das erinnert ein klein wenig an eine Frau vor dem Spiegel, die sich die Augenbrauen zum perfekten Radius zupft. Die langen Blattzeiger der Chronometerwerke Automatik schwingen sich exakt bis zu den applizierten Indizes, welche alle fünf Minuten die umlaufende Eisenbahnminuterie unterbrechen. Dabei verjüngen sich die Indexe nach innen hin und ihre seitlichen Abschrägungen sorgen dafür, dass sich aus jedem Blickwinkel ein Reflex in ihnen bricht. Die Indizes enden genau dort, wo der harmonisch zum Stundenzeiger proportionierte Minutenzeiger das silberfarbene Zifferblatt überstreicht. Er endet schon schier selbstverständlich genau am Datumsfenster bei drei Uhr. Dieses verfügt über ein silberfarbenes, facettiertes Rähmchen. Aber damit nicht genug. Auch das Datum selbst befindet sich auf einer silberfarbene Scheibe, welche genau zum Zifferblatt passt. Und auch die Ziffern sind in einer Serifenschrift gestaltet, welche zu den in Versalien ausgeführten Schriftzügen auf dem Zifferblatt passt. Während sich die Bezeichnung Chronometerwerke über dem Wempe-Logo und der Herkunftsbezeichnung Glashütte in Sachsen unterhalb der Zwölf wölbt, gliedern die Beschriftungen Chronometer und Automatik das Zifferblatt symmetrisch. Hinzu kommt das »Made in Germany«, welches sich rund um den Index bei sechs Uhr in die Minuterie einschmiegt. Alle diese Anstrengungen sorgen dafür, dass das Ablesen der Uhrzeit wie des Datums bei der Chronometerwerke Automatik in jeder Situation problemlos gelingt – solange es Tag ist oder eine künstliche Beleuchtung zum Einsatz kommt. Im Dunkeln schläft die Schönheit und belästigt mich nicht mit Zeitinformationen.
Äußerliche Schönheit, das sind wir schon der humanistischen Schulbildung schuldig, soll uns nicht von der Frage nach den inneren Werten abhalten. Dieser Ansatz führt uns direkt zur Unterscheidung zwischen den beiden Uhrenlinien, welche der Hamburger Juwelier mit Niederlassungen in Europa und den USA seit nunmehr zehn Jahren in Glashütte fertigt.
Äußere Schönheit und innere Werte
Da ist zum einen die Linie Zeitmeister, in welcher vor allem Eta-Werke, aber auch Quarzuhren für Damen zum Einsatz kommen. Hier wird überwiegend in Edelstahl oder mit Vergoldungen bei den Gehäusen gearbeitet. Und zum anderen die Wempe Chronometerwerke, zu der auch unser Modell gehört. Hier gibt es ebenfalls Edelstahlmodelle, aber auch Varianten in 18-Karat-Gelbgoldgehäusen – wie auch für meine Testuhr. Hier kommen aber vor allem ausschließlich eigene Werke zum Einsatz. Während das tonneauförmige Werk noch von Nomos gefertigt wurde, bezieht man für die runden Handaufzug- und Automatikkaliber konstruktive Unterstützung aus dem Schweizer Jura. Für die vorgeschriebene Wertschöpfung von 50 Prozent vor Ort – um die Herkunftsbezeichnung Glashütte verwenden zu dürfen – sorgen neben dem Zusammenbau und der Reglage auch die Chronometerprüfung in der Sternwarte im eigenen Haus. Diese wird von Mitarbeitern des thüringischen Landesamtes für Verbraucherschutz durchgeführt und amtlich bestätigt, was die Unabhängigkeit und die Offenheit der Prüfstelle für andere Mitbewerber garantiert.
Die Prüfung als Chronometer ist hart, aber amtlich
Die Prüfergebnisse führen in der Praxis außerhalb geregelter Temperaturbedingungen und kontinuierlicher Bewegung auf dem Zeitmesser naturgemäß zu anderen Werten, mein Chronometerwerke-Modell befriedigt die Ansprüche mit maximal sechs Sekunden Vorgang je Tag allemal. Denn lieber zu früh zu einem Date kommen, als zu spät. Und langsamer werden mechanische Uhren meiner Erfahrung nach mit den Jahren von alleine. Das erste Automatikwerk CW4, welches zum zehnjährigen Firmenjubiläum 2016 vorgestellt wurde, baut eine Gangreserve von immerhin 92 Stunden auf, welche in nur einem Federhaus für den Fall gespeichert wird, dass ich die Uhr einmal nicht trage. So muss ich die Chronometerwerke Automatik nicht neu stellen, sollte ich sie ein verlängertes Wochenende zu Hause lassen, weil ich mir für Outdoor-Aktivitäten eine robustere Uhr als Begleiter wähle, welche die Wasserdichtheit der Wempe-Uhr von drei Bar noch übertrifft. Und auch das schwarze Alligatorlederband möchte ich für angemessene Anlässe schonen. Es trägt sich mit der kleinen Dornschließe mit Wempe-Schriftzug hervorragend und schmiegt sich förmlich um den Arm. Die tief herabgezogenen Bandanstöße des 41 Millimeter im Durchmesser großen Edelstahlgehäuses sorgen für einen perfekten Sitz.
Durch den sechsfach verschraubten Saphirglasboden erblicke ich das CW4 – ein Automatikwerk, das gemäß Glashütter Tradition mit einer Dreiviertelplatine mit samt Glashütter Bandschliff versehen ist, die von drei gebläuten Schrauben gehalten wird. Die vergoldeten Schriftzüge weisen stolz auf die chronometergenaue Reglage in fünf Lagen wie auf die verbauten 35 Rubine hin. Vier weitere gebläute Schrauben zieren die beiden Kloben und fixieren auf diesen die Unruhbrücke, unter welcher die Unruh mit 28.800 Halbschwingungen oszilliert. Die Rückseite gibt sich nicht minder klassisch als das Zifferblatt. Ungewöhnlich nur der dezentrale Aufzugsrotor mit seinem Bandschliff, der über der Platine wie aufgesetzt wirkt. Immerhin, die ungewöhnliche Konstruktion ist sofort als Manufakturwerk erkenntlich und mit einer Höhe von 11,7 Millimetern baut die Chronometerwerke Automatik auch mit dieser Konstruktion nicht zu hoch. Die Glashütter Armbanduhr begleitet ihren Träger unauffällig am Handgelenk, gefällt dem Betrachter mit ihrer formschönen Gestalt und besitzt die inneren Werte, die ihre verführerische Gesamterscheinung zu einem Versprechen machen, das gehalten wird. 6.950 Euro.
Die erste Automatikuhr der Chronometerwerke von Wempe Glashütte besitzt eine ungewöhnliche Konstruktion. Der Rotor wirkt wie auf das Handaufzugwerk aufgesetzt. Zwar behält das Manufakturkaliber damit die für Glashütte typische Dreiviertelplatine bei, diese Entscheidung fällt aber zu Ungunsten der Bauhöhe aus. Mit der gravierten Unruhbrücke demonstriert Wempe Glashütte I/SA, welchen Ansprüchen an die uhrmacherische Tradition man mittlerweile gerecht werden möchte.
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